Thegenkampf MMXVIII
Bericht des Captains
Der alte Schamane schloss die Augen und trank noch einen Schluck der vergorenen Stutenmilch. Doch er hatte, als er den Lederschlauch einen Mond zuvor befüllte, noch Pilze der Steppe dazugegeben. Der vergorene Sud setzt ihn in Trance. Er lauscht den fernen Klänge der Pferdekopfgeige und dem Seufzen des Windes über die endlose Steppe. Sein Blick verschwimmt. Doch nicht wie nach dem übermäßigen Konsum des billigen Wodkas – seine Sicht öffnet sich… Eine Vision! Was sieht er? Eine Gruppe junger Männer im Wettstreit miteinander. Doch worum geht der Streit? Er erkennt mehr Details: Sie wollen ihren König ermitteln. Es ist bitterkalt und die Männer sind auf dunkler, feuchter Erde versammelt. Einer von ihnen trägt ein schweres Holz… nein einen Baumstamm! Mit aller Macht schleudert er den Stamm über den Acker. Er schlägt in den Boden und sprengt etwas Krume raus. Schnell eilt einer der Mannen von der Gruppe zum Stamm und steckt ein Hölzchen daneben. Nach und nach werfen die Männer den Stamm. Am Weitesten kommt ein Bursche namens Malte.
Die Gruppe zieht unter einen von Steinen umfassten Hof. Sie zücken jeder ein Kartenspiel, welches dem Seher unbekannt ist. Es ist bildschön gestaltet. Sie vermischen ihre Spiele miteinander und ziehen jeder fünf Karten… Die Regeln dieses Spiels ergeben sich dem alten Mann nicht. Aber es wird viel gelacht und die Mannen trinken einen Sud aus vergorener Gerste. So viel Freude ist zwischen diesen Freunden, dass es dem Schamanen eine Träne in die Augenwinkel treibt. Das Glück der Karten ist mit einem gewissen Moe.
Zwischen diesem und dem Heerführer der Truppe gab es, direkt zu Beginn der Vision eine seltsame Unterhaltung. Erst wollte der Heerführer sich dem Wettkampf entziehen, da er ihn auch vorbereitet hat. Doch als er sah, dass der Neuling in der Gruppe, Moe, auch mitmischen würde, wenn er es täte, willigte er ein. So entbrennt ein freundschaftlicher Kampf, zu dem der Alte gleich noch mehr erfahren wird.
Die Gruppe sammelt sich nun um einen Tisch mit dünnen, blechernen Beinen und setzt sich auf Planken, die auf ebenso dünnen Blechen gestützt sind. In der Mitte des Tisches trägt einer der Mannen -Hans- winzige Becher auf. Diese sind gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit, womöglich ein Schnaps? Ja, der Geruch von süßen Früchten steigt dem Schamanen in die Nase. Auch diese Krieger des Nordens wissen die Geister zu beschwören! Sie rufen herbei den Geist aus Kirsche, Himbeere, Quitte, Haselnuss und Birne. Aber welcher Geist wohnt in welchem Glas? Dass müssen die wackeren Burschen nun erschmecken. Doch keiner von ihnen kann sie alle zuordnen! Immerhin weiß Marvin die meisten der Geister richtig zuzuordnen.
Für den nächsten Wettstreit lauschen die Krieger nun dem zweiten Heerführer. Dieser befragt sie in der Geschichte und den Sagen ihrer Heimat. Als Kundigster (bzw. Glücklichster, den die Fragen sind tückisch gestellt) erweist sich auch hier Marvin. Würde er den Wettkampf für sich entscheiden? Bislang liegt er vorne. Doch es gibt noch mehr Disziplinen!
Im fünften Wettstreit müssen die Mannen einem von ihnen die Bewegungen genausten Nachmachen. Mit ihren Holzstöcken mit Eisenrohren wedeln sie dabei in der Luft oder stampfen auf dem Boden. Der Heerführer entzieht sich diesem albernen Rumgehampel direkt. Am trefflichsten macht schlussendlich Moe hier Simon nach. Was für ein Affentheater!
Moe und Marvin liegen nun gleich auf. Zwei der neusten Recken dieser Bande. Ihre Lebenslust und Frische treibt dem alten Schamanen eine weitere Träne in den Augenwinkel.
Die Hälfte der Wettkämpfe ist nun entschieden. Die Truppe hält nun Rat und isst gemeinsam. Es gibt einen überbackenen Teig mit Käse und allerlei Belag, wie Schinken, Thunfisch oder Zwiebeln. Pizza nennen die Fremden dies. Es scheint ihnen sehr zu munden. Auch der Appetit des Alten ist angeregt und er schiebt sich einen Buuz in den Mund. Während der warme, fleischige Saft seinen Mund füllt, sieht er mit seinem Blick in die Ferne. Ein Adler steigt in der Ferne auf. Das bringt ihn zurück in seine Vision.
Auch die Krieger des Nordens blicken nun weit über den Tisch hinweg. Hier liegen alle Karten ihres seltsamen Spiels verdeckt. Einer nach dem anderen versucht nun, gleich aussehende Karten aufzudecken! Wie herrlich die Karten gestaltet sind! Eine wahre Kunst dieser fremden Kultur zeigt sich hier dem Alten. Ein blonder Krieger mit den geschickten Fingern eines Pferdekopfgeigers, Peter, gewinnt dieses Spiel mit seinem hervorragenden Gedächtnis.
Nun geht es erneut auf den Acker. Der alte König schleudert einen Speer. Viele Schritte weit weg trifft dieser in den Boden ein. Einer der Mannen markiert die Stelle nun und die Wettkämpfer versuchen, möglichst nah an den Königsspeer zu treffen. Hier schafft allein der Heerführer es, so weit wie sein König zu werfen.
Der nächste Wettkampf geht wohl um die Merkenskraft. Zwei hohe Tische, an denen man nur stehen kann, sind voll mit Ausrüstung der Krieger. Der Säbel des Heerführers, ein Trinkhorn, Silbergeschmeide, ein Klappstuhl, eine seltsame Mütze, Flaschen und, und, und. Wohl um die hundert Dinge müssen hier wohl drapiert sein. Wer soll sich das alles merken? Und genau benennen können? Wohl kaum jemand. Doch nach zwei Minuten Bedenkzeit hat der Heerführer am meisten Dinge richtig notiert und entscheidet dieses Spiel für sich.
Nun hat sich ein klares Feld ergeben. Peter, Moe und der Heerführer selbst haben noch eine gute Chance auf die Königswürde. Doch es gilt noch, sich im direkten Kräftemessen zu beweisen. Ein fester Strick wird auf den Boden gelegt und markiert. Die Krieger mit ähnlicher Größe treten gegeneiander an. Wer hier besiegt wird, ist raus. Es können nur zwei übrig bleiben, die sich im Finale um den Königstitel streiten werden. Peter kämpft gegen Matthias, doch unterliegt. Patrick gegen Simon. Ein wahrer Kampf. Schon liegt der Heerführer am Boden, doch noch ist er nicht besiegt. Mit allem Willen und aller Kraft rappelt er sich hoch und zieht Simon noch über die Grenzlinie. Moe gegen Paul… letztlich bleiben nur Patrick und Moe über. Schicksal?
Sie treten nun zusammen für das letze Spiel. Doch was ist das? Hatte die Frau des Alten doch Recht? Trank er zu oft und zu viel von seinem Sud? Spielten sie wirklich „Pferd, Kamel, Schaf, Ziege“? Das Spiel der Steppe? Woher hatten sie die ganzen Ziegenknochen? Aber doch, sie legen mit zwei Knochen eine Rennbahn aus und wählen zwei weitere als ihre Spielsteine aus. Dann würfeln sie abwechselnd mit vier Knochen. Wer „Pferd“ würfelt, darf seinen Spielstein um die Anzahl der gewürfelten Pferde vorziehen. Ein Kopf-an-Kopf Rennen entbrennt. Letztlich kann Moe das Spiel mit seiner glücklichen Hand gewinnen. Er ist nun König des Nordens! Die Mannen eilen, um ihm zu gratulieren. Sie lassen ihren mächtigen Ruf drei Mal ertönen und bringen ein Hoch für ihren neuen König aus. Sie verabschieden den alten König gebührend und beginnen zu feiern. Später steigen noch unzählige bunte Lichter in den Himmel und verkünden so: Die Nordlichter haben einen neuen König! Moe I. Schulz.
Der Alte schließt nun seine Augen. Er hat genug gesehen von diesen herrlichen Recken. Seine Wangen sind feucht von Tränen der Freude. Seine Frau mault ob seines Trinkens. Er geht vor die Jurte, betrachtet den klaren Sternenhimmel und lauscht der Nacht.