Die Jubiläumsfahrt – Eine Novelle

Dresden, oh du wunderschönes Dresden, du Perle an der Elbe! Was für einen Glücksgriff hatten die tapferen Mannen des Neusser Nordens nur getan, als sie dich als ihr Ziel der Reise für ihr so besonderes Jubiläumsjahr auserkoren. Der folgende Bericht ist rein fitkiv, hätte sich aber genauso ereignen können.

Bevor die Männer des Nordens eine Reise tun, lassen sie sich traditionell zuerst von ihrem Smutje verwöhnen. So auch dieses Mal, denn der gute Corporal hatte mal wieder eines seiner besten Frühstücke serviert.

Satt, glücklich und gar keine so rechte Lust, sich aufzumachen, erhoben sich die Nordlichter nun also von ihren Plätzen, den Blick gen Sonne gerichtet, denn der Weg führte in den Osten, in das weite Land der Morgenröte.

Schon auf der Anreise merkten wir schnell, dass es uns auf dieser Reise wohl wirklich in fremde Länder verschlagen würde. Allmählich veränderte sich vor den Autofenstern die vorbeirauschenden Landschaften. Das so erquickende Grau des Ruhrgebietes wich langsam aber sicher dem Grün sich unendlich weit erstreckender Felder und Wiesen, ein Potpourri von blühenden Landschaften, könnte man sagen.

Fünfeinhalb Stunden hätte die Fahrtzeit eigentlich dauern sollen, wir schafften es in Acht. Kein Wunder, befahl unser Leutnant doch an jeder sich bietenden Möglichkeit, das Benetzen der Münder seiner Mannen. Ausreichend Feuchtigkeit braucht der Mann, im Idealfall 2-3 Liter am Tag. Gut, dass sich unser lieber Simon mit seinem Angebot durchgesetzt hatte, uns für diese Fahrt aber auch wirklich endlich einmal einen Transporter auszuleihen, so blieb immerhin nur ein Schütze (aber kein Auge) trocken an diesem Tage.

Dennoch, die Zeit verging wie im Fluge und endlich angekommen, kundschafteten wir erst einmal die Umgebung aus.

Am linken Elbufer, im Scheitel eines anmutigen Flussbogens gelegen, befindet sich das historische Zentrum Dresdens. Jahrhundertelang von mächtigen Festungsmauern geschützt, entfaltete die sächsische Residenz hier Pracht und Betriebsamkeit. Noch heute bestimmen die Bauten aus Renaissance, Barock und 19. Jahrhundert die Schauseite der Stadt, die Elbfront.

Nichts davon zeigte sich unseren Kundschafteraugen, denn wir hatten ein Hotel „etwas“ außerhalb gebucht. Der übliche graue Mehrfamilienhaus-Straßenzug erinnerte uns doch sehr stark an die Heimat, daher brachen wir das Sightseeing recht schnell ab und bezogen erst einmal die Zimmer.

Wie bei den Nordlichtern üblich finden sich die kurzfristigen Wohngemeinschaften traditionell zügig und wir konnten uns alsbald zum gemeinsamen Abendessen eintreffen und bereits die ersten Pläne schmieden. Noch an diesem Abend sollten die Augen der Nordlichter also doch noch die Altstadt dieser so geschichtsträchtigen Stadt erblicken. Also auf in die Öffis und ab ins Getummel.

So hatten wir es uns gedacht, doch es kam alles anders. Denn aufgrund merkwürdiger Vorkommnisse, die die Bevölkerung hier und auch anderswo im Lande in ihrem furchtbaren Virengriff hielt, ließ man uns Nordlichter immer nur paarweise an die Theke. Kein Problem, wir sind kreative Köpfe, also machen wir aus der Not eine Tugend, ein Partnertrinkspiel.

Die Reisegruppe begab sich auf Gefechtsstation, jeweils zu Zweit, jedes Zweierteam immer anderthalb Meter auseinander. Wer die Wirtschaft als erstes trocken getrunken hat: gewinnt.

An dieser Stelle weiß der Chronist leider nichts weiter zu berichten, auch wie es die meisten von uns wieder zurück ins Hotel geschafft haben, bleibt ein Mythos. Wieso die meisten von uns? Unser lieber Captain, der ja in diesem Jahr zugleich auch unsere Majestät ist, blieb leider zunächst verschollen…

Der Rest der Truppe merkte dies allerdings erst recht, beim Frühstück am nächsten Morgen. Große Aufregung, wie konnte das bloß passieren? Auch der Blick auf die Smartphones half nicht weiter, hier gab es leider kein Netz…

Krisenbesprechung, was war zu tun? Schnell war sich die Gruppe einig, das Etablissement des Vorabends einfach noch einmal aufzusuchen. Gesagt, getan, eine knappe Stunde später waren wir also wieder am Ort des Geschehens. Schnell zeigte sich, dass wir am Vorabend nicht lange dort geblieben und weitergezogen waren und es begann eine Schnitzeljagd durch diese altehrwürdige Stadt.

Von der Wirtschaft des Vorabends schickte uns der Wirtsmann zunächst einmal über das sog. „blaue Wunder“… Dieses hatten wir ja am Morgen bereits erlebt, als der Captain als vermisst gemeldet wurde, also leuchtete es uns ein, unsere Suche hier zu beginnen. Und außerdem erinnerten uns die Bilder, die uns der Wirt von dieser Brücke zeigte irgendwie an die Heimat…

Nein, das ist keine Ruhrgebietsbrücke über den Rhein, das ist das „blaue Wunder“, mitten in Dresden.

Hier angelangt merkten wir schnell, dass wir an der falschen Stelle mit unserer Suche begonnen hatten, wir waren im Nirgendwo gelandet, nicht einmal die Semperoper konnte man von hieraus sehen.

Um wieder Orientierung zu erhalten, machten wir uns also zunächst auf zurück in die Altstadt, vorbei an Pfunds Molkerei und über die Brühlsche Terasse. Am Zwinger konnten wir dem Drang nicht wiederstehen und ein paar Fotos schießen. Denn das wohl bedeutendste Bauwerk des Spätbarocks ist ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Plastik und Malerei. Von 1710 bis 1728 wurde der Zwinger als Orangerie und höfischer Festspielplatz vom Architekten Pöppelmann und dem Bildhauer Permoser entworfen und erbaut. Heute beherbergt er die berühmte Gemäldegalerie Alte Meister mit der Sixtinischen Madonna, den Mathematisch-Physikalischen Salon und die Porzellansammlung, die bedeutendste und umfangreichste keramische Spezialsammlung der Welt… Wissen viele gar nicht.

Wie dem auch sei, die Reise setzte sich fort, vorbei an der Frauenkirche und der Kathedrale und noch ein letztes Mal über die Elbe, bis wir ihn dann endlich fanden. Hoch zu Ross saß er und er strahlte über die weite des gesamten Platzes. Er saß direkt neben Kurfürst Friedrich August I., Dresdens bekanntestem Denkmal, dem goldenen Reiter. Dort oben saß er, winkte uns bereits zu und rief: „Ein Jlück, dat ehr hee endlich aufkrützt! Ich kall de janzen Daach, ever he verstank mich kenne Sau!“.


Eins, zwei, Räuberleiter und schon hatten wir den Captain von seinem goldenen Thron enthoben… Das sollte aber kein flacher Symbolismus werden, denn wir hatten ihn vermisst und ließen ihn nun kräftig hochleben, sodass auch an diesem Abend kein Auge (und keine Kehle) trocken blieb.

Der Schock musste erstmal verdaut werden und so ließen wir den Samstag ruhig angehen. Es erwartete uns ein wenig Kultur und eine exklusive Führung durch die Semperoper. Ein historischer Augenblick, denn viele der Mannen des Nordens hatten so einen Kulturschauplatz selten von innen erblickt. Der göttliche Funke trat über und unser lieber Dario konnte nicht anders, ein kurzes Gedicht zu dem Augenblick zu verfassen. Leider ist dieses nicht weiter überliefert, aber wer eine Idee hatte, wie es lauten könnte, schreibt es gerne unten in die Kommentare. Und wenn ihr schon dabei seid, lasst uns ein Like da!

Den Schlussakt sollte an diesem Abend nun noch die Nachtwächtertour bilden. Da wir am Vortag auf eigene Faust während der Suche nach dem verlorenen Captain allerdings bereits alle Sehenswürdigkeiten selbst ausgekundschaftet hatten, waren wir ein zähes Publikum für den armen Mann. Dies sah er auch sehr schnell ein und schwenkte in seiner Tour spontan auf die Bedürfnisse seiner Zuhörerschaft um und tourte mit uns nicht von Denkmal zu Denkmal, sondern von Schenksaal zu Schenksaal. Wie er uns später noch anvertraute, war es ihm so sowieso viel lieber, und er nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche Mundspülung…

Das war es also, am Sonntag folgte ein Abschiedsfrühstück und eine müde Heimfahrt ohne weitere Zwischenfälle. Zuhause angekommen, mussten wir feststellen, dass Lobelia Sackheim-Beutlin alle Habseligkeiten aus dem Hackedicht veräußert hatte, aber das, meine Lieben, ist eine andere Geschichte.

Lt.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert