Showdown an der Obererft

Zu einem gemütlichen Ründchen Poker hatte ich die Truppe in diesem Februar 2022 einladen wollen, ganz nach alter Gentleman-Sitte. Der Frühling ließ noch auf sich warten und die Jungs konnten etwas Zerstreuung zur Steigerung der Moral gut gebrauchen! Doch wusste ich nicht, mit welchen Hold’em-Koryphäen ich all die Jahre das Zugleben geteilt hatte, so begann also ein illustrer Abend voller Überraschungen.

Platz genommen am Master’s Table hatten (im Uhrzeigersinn) der Corporal mit seinen (sichtbar) pulsierenden Nerven aus Stahl, Magic Matthias mit seinem adrett behüteten Pokerface, von dem man meinen könnte, es könne keiner Fliege was zu Leide tun (weit gefehlt!), Dangerous Paul, genannt the hesitant, der schneller bluffte als sein Schatten, Mighty Marc, der sich wohlwissend am Tisch vis a vis zum Corporal am Kopfende positionierte, meine Wenigkeit, All-In-Lieutenant, und unser Debutant Dario, der einiges für uns im Petto haben sollte.

Los ging es also, erst einmal mit zwei offenen Runden, um unserem Poker-Neuling Dario, dem selbst erklärten Kartenspiel und Kniffel-König, die Regeln dieses edlen Spieles aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert nahezubringen.

Wie funktionieren die Wettrunden, was ist ein Flush, wie bekomme ich gar einen königlichen davon? Wofür liegen hier so viele Chips und was haben Straßen mit all dem zu tun? Klar soweit, Dario? Nein? Alles klar, dann los!

Kopfüber stießen wir nun also in das Match und gerade als wir Fahrt aufnahmen, klingelte der Landadel an der Tür und überreichte uns italienische Spezialitäten. Pizza Lord! Also: Essenspause.

Mampf, mampf, alle wohlgenährt, nun also auf ein neues!

Die ersten Runden gingen zäh von der Hand, kaum High-Cards, viel Ramsch und unzusammenhängende Bilder. Hier und da ein Raise, überwiegend aber Checks und Calls, der Pokerrausch tröpfelte dahin. Doch was war das? Nach etwa 10 Runden blicke ich nach Links und traue meinen Augen nicht! Dario und sein unbeschriebenes Blatt saßen auf einem Chiphaufen sondergleichen! Erst jetzt bemerkte ich die Schweißtropfen auf der Stirn des Corporals und auch Mighty Marc war verdächtig ruhig geworden. Dario war sich seiner Position indes noch nicht ganz gewahr. Der perfekte Moment, ihn aus der Reserve zu locken!

Raise, ich setze den dreifachen Big Blind! Aber was war das? Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken: Ein Call… ohje, er hatte die Marktmacht, jeden meiner Versuche, Druck auszuüben, einfach auszusitzen. Okay, ruhig blut, wir sind ja erst im Flop, die Chance kommt noch. Mit einem Paar Sechsen auf der Hand aber einem Ass als High Card im Flop nicht ideal, aber meine Chips waren doch schon sehr zusammengeschmolzen und ich hatte bisher noch keinen Stich gesehen. Come on, Lieutenant, wer nicht wagt, der nicht gewinn, also: Nochmal Raise! Ich erhöhe auf das Fünffache! Nimm das, Dari… Moment!… Was?… Wie kann man nur so unbeeindruckt das Bargeld in den Topf werfen… Uff… Was für ein Rückschlag.

Aber die Runde war ja noch nicht vorbei, der River war noch nicht an uns vorbei geflossen. Also ein letzter Versuch: All In!

Das saß! Ein erstes mal Innehalten zu meiner Linken. Der Rest der Runde war bereits erstarrt, man hätte eine Nadel fallen hören. Es war eine halbe Stunde gespielt und zum ersten Mal ein Hauch von Zweifel in Darios Zügen. Die übrigen Kadetten hatten auch noch keinen Stich geholt, es sah aus, als würde uns der Neuling hier heute Abend in Grund und Boden spielen. Doch der mutige Einsatz sollte zumindest für den Moment nun belohnt werden, Dario Called, die Karten werden aufgedeckt und ich gewinne den Pott!

Kurze Erholung… Die nächste Runde beginnt, nichts berauschendes, Fold! Nächste Runde, wieder Fold! Die Blinds wanderten schon wieder verdächtig nahe in meine Richtung, ich musste was tun. Neue Runde, Neue Karten, Karo Dame, Kreuz Bube, okay, das reicht mir, Raise!

Doch was ist das? Zwei, Vier und Neun im Flop? Wer mischt denn sowas?!?! Okay, Ruhe bewahren, Checks gehen um den Tisch, Zeit meinen Einsatz zu setzen: Sechsfacher Big Blind! Nehmt das ihr Cretains!… Moment? Wieder schmeißt Dario die Chips inflationär unbeeindruckt in seinen Call… Nicht schon wieder! Mein Puls geht höher, Hans geht mit, Matthias ist raus, Paul wartet auf den richtigen Moment (den er den gesamten Abend über leider nicht mehr finden wird…), Marc ist schon raus. Also bin ich wieder an der Reihe… All In!

Ah, das hat wieder gesessen. Scheinbar sind es nur diese beiden magischen Worte, die Dario beeindrucken können. Er folded unter Klagen, Hans auch mit Misstrauem im Blick, ich werfe die Karten verdeckt weg und greife mir den Pott.

So ging es noch ein paar Runden, aber der Nimbus war gebrochen, und Dario glitten nun allmählich die Chips aus den Fingern. Auf der anderen Seite des Tisches hatten Matthias und Paul nicht so viel Glück wie ich und blendeten langsam aus dem Spiel, der Routinier Marc übernahm langsam das Steuer, Hans konnte sich auch stabilisieren, ich hatte wenig Glück. Und so kam es, dass sich zuletzt im Heads Up noch Hans und Marc gegenüber standen. Wie gesagt, dramaturgisch bestens platziert, jeweils am Kopfende des Tisches. Die Blinds wurden höher und höher, diese auffällige Vene in des Corporals Hals pochte lauter und lauter, Marc war die Ruhe selbst. Die Töpfe gingen hin und her, ein Kampf mit offenem Visier! Draußen vergingen die Jahreszeiten und es schien ein endloser Kampf im ewigen Gleichgewicht der Götter zu werden, doch dann! Erst nur flüstern, dann ein Hauch, doch langsam aber sicher schwand die Geduld beim Corporal. Ich bemerkte ein Blitzen in den Augen von Marc, er hatte es auch gesehen. Nur noch ein paar Runden… Das pochen der Nerven wurde lauter und lauter, Matthias ging langsam unter seinem Hut in Deckung… und dann: Der eine Moment, die eine Hand! Marc hatte gewonnen!

Uff, was für eine Runde, darauf erst einmal eine Runde Whiskey und Zigarren. Fenster auf wird schon reichen bei dem Qualm… (Tat es nicht… Aber egal.)

Zeit für die zweite Runde.

Los gehts, doch was soll ich sagen, die Zeit tat ihr übriges, die Leidenschaft war in der ersten Runde ein wenig aufgezehrt, Hans war nach drei Runden All In und raus. Neue Chips von der Bank, und auch diese waren nach fünf Runden wieder weg. Egal, Matthias, der sich aus der ersten Runde als erster verabschieden musste, hatte noch etwas wieder gut zu machen und das tat er diesmal auch. In einer etwas weniger ambitionierten, dafür kulinarisch wesentlich besser untermalten Runde (weil: Whiskey und Zigarren eben), setzte er sich durch und konnte seinen Fauxpas aus der ersten Runde wieder gut machen.

Dario hielt sich wacker, ich war mit meinen Mittelfeldplätzen auch ganz zufrieden, Paul wartet noch auf den richtigen Moment, um anzugreifen…

Neuss, im Februar 2022

der All-In Lieutenant

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