Aderlass bei den Nordlichtern

EIN AUFRUF VOM OBERLEUTNANT

Ich erlaube mir aus gegebenem Anlass, diesen Artikel etwas anders zu verfassen als dies sonst bei mir der Fall ist. Dies hat einen sehr persönlichen Grund, denn der Inhalt des Artikels ist mir aus zwei meiner alltäglichen Perspektiven heraus wichtig:

Perspektive Eins: Der Biotechnologe
Perspektive Zwei: Der Zugführer

Aber zunächst eine Herleitung des Themas. Am 14. August war erneut große Blutspendeaktion im Neusser Rathaus unter dem Motto: „Mer donnet för Nüss“. Meine Partnerin, Anna, und ich versuchen möglichst regelmäßig zur Blutspende zu gehen. Häufig genug schließt sich ein Teil des Schützenzuges an. Das DRK-Team war wie immer sehr nett und professionell, obwohl wir etwas spät dran waren. Alles lief (wie immer) reibungslos ab – doch als ich meinen Blutspendeausweis wiederbekam, bat mich die charmante, ältere Dame an der Ausweis-Ausgabe darum, mich noch kurz gedulden. Ich dachte, das Gerät sei defekt oder ähnliches. Doch stattdessen bekam ich eine Urkunde und eine kleine Anstecknadel. Ich hatte zum zehnten Mal „unendgeltlich und freiwillig“ Blut beim DRK gespendet. Sie beglückwünschte mich und wir gingen zum anschließenden Essen. Als ich die Nadel in der Hand hielt, wollte ich sie nicht wieder abgeben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich ein solcher „Tinnef“ mit 25 Jahren noch mal so begeistert. Ich war stolz. Und bin es noch. Und dieses Gefühl möchte ich einem jeden Anraten, der Blut spenden kann.

Nun meine Perspektiven dazu:

Biotechnologe: Blut ist eine der teuersten Flüssigkeiten, die wir kennen. Und dies nicht aufgrund des Marktes bzw. einer Marketingstrategie (wie bei Tintenpatronen oder Nagellack), sondern weil es nicht synthetisch Hergestellt werden kann. Aber Moment, man kriegt doch z.B. nach großen Flüssigkeitsverlusten eine Ringer-Lösung? Schon richtig, aber während das eine etwas hochwertigere Salzlösung ist, ist Blut ungleich komplexer. Nicht umsonst wird Blut zuweilen auch als „flüssiges Organ“ bezeichnet. Rote und weiße Blutkörperchen, Hormone und andere Botenstoffe, Gase und Puffer für pH-Schwankungen, Proteine und spezielle Fette liegen im Blut vor. Es ist gut vorstellbar, in wie fern eine Vollbluttransfusion sich also qualitativ von einer Ringer-Lösung unterscheidet und was dies für den Genesungs-/Überlebensprozess des Patienten bedeutet. Die einzigen Bioreaktoren, die Blut erzeugen können, sind wir selbst. Und wir können den Verlust von ca. 500 mL ohne Weiteres kompensieren.

Aber beschäftigen wir uns noch kurz mit den Kosten. Was viele nicht wissen, hier aber nicht verschwiegen werden soll, ist die Tatsache, dass das DRK von den Krankenkassen der Patienten Geld für eine Bluttransfusion erhält. Relativ viel Geld. Für mich geht das in Ordnung. Es ist mir aufgrund meiner Lebenssituation (Student) nicht möglich, große Spenden an die Hilfsorganisationen zu tätigen. Ich möchte gleichfalls jedoch andere an meinem gesamt gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben lassen. Das DRK ist eine gemeinnützige Organisation und das RK als solche operiert auf den internationalen Krisenherden. Wenn meine Blutspende also jemandem medizinische Hilfe und einer Hilfsorganisation monetäre Spende ist, ist das für mich ein doppelt gutes Gefühl bei der Spende.

Perspektive Zugführer: Es wurde in den letzten Wochen viel über das Schützenwesen in den Medien diskutiert, angestoßen durch den Fall des muslimischen Königs der nach der Satzung des BHDS keiner hätte sein dürfen. Hier hörte man grade im Radio oft, was viele Mitbürger für ein Bild vor Auge haben, wenn sie an einen Schützen denken: Hauptsächlich das einen torkelnden, halsstarrigen, intoleranten, rückwärtsgewandten, alten Mannes. Aber das ist nicht das Schützenwesen, das ich aus meiner Heimatstadt kenne. In Neuss ist es anders. Über die Integrative Kraft der Vereine und unseres Heimatfestes wurde inzwischen zur Genüge referiert (Schützen als Kitt der Gesellschaft, Neusser Regiment steht bereit).

Ich möchte jedoch zeigen, dass es Züge gibt, die auch außerhalb von Schützenfest und Zelt Verantwortung in der Gesellschaft tragen. Beispielsweise sind hier nur aus unserer Bekanntschaft zu nennen der Grenadierzug „Echte Frönde“, die Kooperation mit dem Vincent von Paul Behindertenwohnheim haben und verschiedene Aktionen mit diesem gestalten. Unter Anderem ein Biwak zum Königsehrenabend und das Zug-Königsschiessen. Auch das Sommerfest des Wohnheims wird von diesem Zug mit einem Bierstand betreut. Die Schützenlust selber und in dieser insbesondere vier Züge, setzen sich für Waisenkinder in Rumänien ein. Wir Nordlichter haben uns unter Anderem dazu entschieden, im Rahmen des jeweils persönlich möglichen Blut zuspenden und sich bei der DKMS als Knochenmarkspender typisieren zu lassen.

Das zusammen mit meinem Zug zu tun, erfüllt mich mit großem Stolz. Es ist etwas worauf man verweisen kann und sagen kann, „wir können mehr als Stammtisch-Philosophie“. Ich empfehle dies zur dringenden Nachahmung! Es lohnt sich. Gesellschaftlich und persönlich, für das wunderbare Gefühl etwas Gutes getan zu haben. Und leider tun es zu wenige. Nur 3% der Bevölkerung spenden überhaupt Blut (entgeltlich und unendgeltlich), aber 50% der Bevölkerung brauchen in ihrem Leben mindestens ein Mal eine Blutspende. Und Typisieren müssten sich überhaupt mehr Menschen, alleine, weil es so unwahrscheinlich ist, in dieser Hinsicht Kompatibel mit einem anderen Menschen zu sein.

Gehen Sie mit diesen Gedanken doch in Ihre nächste Versammlung und reden Sie darüber. Bitte!

Mit besten Schützengrüßen
Patrick Bongartz, Olt.

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